1918 – 1933: Regierung, Opposition und Illegalität

Als die nicht-deutschsprachigen Nationalitäten kurz vor Kriegsende aus der Monarchie ausschieden, waren die deutschösterreichischen Sozialdemokrat:innen die ersten, die mit einem klaren Programm vor das Volk traten und eine demokratische Republik anstrebten.

Inhalt

Otto Bauer, 1881 in Wien als Sohn eines Textilfabrikanten geboren, war als Jusstudent zu gleichgesinnten jungen Sozialisten gestoßen. Bruno Kreisky, aus ähnlichen bürgerlichen Kreisen stammend, trat als Mittelschüler der Sozialdemokratie bei.

Am 12. November 1918 wurde die Republik Deutsch-Österreich unter Staatskanzler Karl Renner ausgerufen. Nur einen Tag vor der Ausrufung der Republik starb der große Mann der österreichischen Sozialdemokratie, Victor Adler. Zur neuen Führungsfigur innerhalb der Partei wurde Otto Bauer. Am 16. Februar 1919 fanden die ersten freien Wahlen mit gleichem Stimmrecht (mit Frauenwahlrecht) statt, bei denen die sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) mit 40,8% der Stimmen stärkste Partei wurde und sich dabei vor allem in Industrieregionen durchsetzen konnte. Die Sozialdemokratie war damit endgültig zur dominierenden Kraft innerhalb der Arbeiterbewegung geworden, auch weil die Rätebewegung unter Friedrich Adler erfolgreich integriert werden konnte.

Soziale Reformen

Die Koalitionsregierung mit den Christlichsozialen begann mit der konstituierenden Nationalversammlung am 4. März 1919, es wurden in der Folge Gesetze zur Arbeitslosenunterstützung, zur Beschäftigung von jugendlichen Arbeitern und Arbeiterinnen, ein Betriebsrätegesetz und ein Gesetz über gemeinwirtschaftliche Unternehmungen verabschiedet. Auch in der zweiten Koalitionsregierung konnten vor allem in den Bereichen Heer und Schulen Reformen durchgesetzt werden. Ab 1922 stellten indes die Christlichsozialen beinahe durchgängig den Bundeskanzler. Das „sozialistische Lager“ konnte sich aber auf eine breite organisatorische Basis stützen, die aus Gewerkschaften, Genossenschaften und einem ausdifferenzierten Verbände- und Vereinswesen bestand („Von der Wiege bis zur Bahre“). Dies galt vor allem im „Roten Wien“. Denn in Wien begann eine Ära des „kommunalen Sozialismus“, die weltweit Beachtung fand. So war im Jahr 1924 etwa jeder fünfte Erwachsene 1924 Mitglied der Sozialdemokratie. Vor allem im Bereich des sozialen Wohnbaus („Breitner Steuer“) und der sozialen Fürsorge („Wiener System“) konnten große Erfolge verzeichnet werden.

Schattendorf und der Justizpalastbrand

1926 wurde unter austromarxistischen Voraussetzungen das „Linzer Programm“ unter Federführung Otto Bauers beschlossen. Im Land sah sich die Sozialdemokratie bereits mit vehementer Gegnerschaft konfrontiert. Im Widerstand gegen rechte und deutschnationale Kräfte und Wehrverbände wurde der „Republikanische Schutzbund“ unter Julius Deutsch ins Leben gerufen. Nach den schrecklichen Ereignissen im burgenländischen Schattendorf, wo Mitglieder einer rechten Frontkämpfervereinigung ein achtjähriges Kind und einen Schutzbündler erschossen, kam es nach dem Freispruch der Täter zu Protesten und am 15. Juli 1927 zum „Justizpalastbrand“, der eines der traumatischsten Ereignisse der österreichischen Geschichte darstellt. Die Polizei ging gewaltsam gegen die Protestierenden vor und Polizeipräsident Schober erteilte Schießbefehl. Über 85 getötete Arbeiterinnen und Arbeiter und hunderte Verletzte waren die Folge.

Justizpalastbrand (Foto: VGA)

Auf Druck der Heimwehren und des rechten Flügels der Christlichsozialen kam es 1929 unter Federführung Hans Kelsens zur Reform der Verfassung von 1920. Das stark parlamentarisch geprägte Modell wurde in Richtung einer Präsidialverfassung verändert.

Innenpolitisch radikalisiert sich die Stimmung. 1930 bekennen sich die christlichsozialen Heimwehren im “Korneuburger Eid” zum Faschismus: “… wir verwerfen den westlichen parlamentarischen Demokratismus.“

Im Mai 1932 gelingt es Engelbert Dollfuß – nach dem Zusammenbruch der Allianz zwischen Großdeutschen und Christlichsozialen – mit hauchdünner Mehrheit zum Kanzler gewählt zu werden. Zu dieser Zeit wurde eine weitere politische und für die Demokratie bedrohliche Kraft mehr und mehr sichtbar: bei den Gemeinderatswahlen im April 1932 erreicht die NSDAP mit einem enormen Zugewinn in Wien über 200.000 Stimmen.

Ende der Demokratie und Beginn des Austrofaschismus

1933 spitzen sich die politischen Ereignisse weiter zu. Koloman Wallisch deckte die „Hirtenberger Waffenaffäre“ auf, bei der italienische Waffen für die Heimwehr gefunden worden waren. Dies stand im klaren Widerspruch zur Neutralität Österreichs. Dollfuß erließ im Februar ein neues Lohnschema für die Eisenbahner, das deutliche Reallohnverluste zur Folge hatte. Gegen den darauffolgenden Streik ging die Regierung übermäßig hart vor. Daraufhin initiierte die Sozialdemokratie eine außerordentliche Parlamentssitzung, mit der u.a. Amnestien für Verurteilte erreicht werden sollten. Da im Zuge dieser Sitzung alle drei Parlamentspräsidenten zurücktraten konnte die Sitzung nicht geschlossen werden. Dollfuß ergriff diese Gelegenheit und erklärte, dass er nunmehr ohne Parlament regieren wolle. Dieses habe sich selbst aufgelöst. Er ließ das Parlament am 15. März umstellen und verwehrte den Parlamentariern mithin den Zugang zum Sitzungssaal. Ebenso schaltete die Regierung Dollfuß wenig später den Verfassungsgerichtshof aus. Dennoch konnte sich Otto Bauer nicht dazu durchringen, zum Generalstreik aufzurufen.

Maiaufmarsch 1933

Von nun an wurde die Sozialdemokratie sukzessive in die Illegalität gedrängt. Am 31. März 1933 wird der Schutzbund aufgelöst und am 1. Mai der traditionelle Maiaufmarsch der Sozialisten mit Waffengewalt verhindert. Im Oktober muss die „Arbeiter-Zeitung“ eingestellt werden. Trotz des sog. „Weihnachtsfriedens“ werden die Repressalien gegen die Linke verstärkt. Auch das Budget der Stadt Wien wurde deutlich gekürzt, um die Hochburg der Arbeiterbewegung auf diesem Wege zu schwächen.