Nach dem FP-internen Sturz des Liberalen Steger, der Wahl Jörg Haiders zum FPÖ-Chef und einem massiven Rechtsruck der FPÖ beendet der neue Bundeskanzler Franz Vranitzky im September 1986 unverzüglich die kleine Koalition. Nach den folgenden Nationalratswahlen bildet Vranitzky erstmals – seit 1970 – wieder eine Große Koalition, die bis 1999 bestehen bleibt.
Der aus dem Arbeitermilieu stammende Franz Vranitzky war bereits in der Kreisky-Ära als wirtschaftspolitischer Berater von Finanzminister Hannes Androsch tätig gewesen, bevor er in leitender Funktion für verschiedene Banken arbeitete. Nach Bruno Kreisky sollte er der am längsten amtierende Parteivorsitzende und Bundeskanzler der SPÖ werden. Ihm gelang es, bei insgesamt vier Wahlen (1986, 1990, 1994 und 1995) den ersten Platz für die SPÖ zu verteidigen, während die ÖVP in derselben Zeit vier Obmänner hatte.
Einige wichtige Meilensteine der Ära Vranitzky: Schon bald nach den Wahlen 1986 kam es zu einem umfangreichen Sanierungspaket für die Verstaatlichte Industrie und zu ersten Schritten in Richtung einer Privatisierung von Bundesbeteiligungen. Lob erhält die Regierung Vranitzky dafür, dass bei Sparprogrammen die notwendigen Maßnahmen sozial gerecht auf alle Bevölkerungsgruppen verteilt werden. Das Budgetdefizit wurde verringert und die Inflation konnte auf konstant niedrigem Niveau gehalten werden. Unter Finanzminister Lacina wird eine vielbeachtete und -gelobte Steuerreform umgesetzt. Erstmals in der österreichischen Geschichte verfügten mehr als drei Millionen Menschen über eine Beschäftigung. Frauenpolitisch bedeutsam war die Schaffung eines eigenen Frauenministeriums 1990, an dessen Spitze Johanna Dohnal bis zu ihrem Rückzug aus der Politik 1995 stand.
Umbenennung in „Sozialdemokratische Partei Österreichs“
Auch die drastischen Veränderungen in der Weltpolitik um das Jahr 1989 (Fall der Berliner Mauer) hatten Folgen für das Selbstverständnis der SPÖ. Im Jahr 1991 erfolgte ihre Umbenennung in „Sozialdemokratische Partei Österreichs“, womit sie wieder zu ihrem traditionellen Namen zurückkehrte.
Historisches Bekenntnis zur Mitverantwortung Österreichs an den NS-Verbrechen
In der österreichischen Geschichte wird Franz Vranitzky immer auch als der Bundeskanzler erscheinen, der deutlich für einen offeneren und kritischeren Umgang mit der Zeit des Nationalsozialismus eintrat. Er reagierte damit auf eine weit verbreite, vor allem auch internationale Kritik am schlampigen Verhältnis Österreichs zu seiner Geschichte. Vor allem mit seinen Reden 1991 vor dem Nationalrat und 1993 in Israel, in denen er die Mitverantwortung Österreichs für die nationalsozialistischen Verbrechen klar benannte, setzte er wichtige und letztlich unverzichtbare Schritte.
Bedingt durch die internationale Isolation von Bundespräsident Waldheim wegen dessen Umgang mit seiner Kriegs-Vergangenheit musste Vranitzky auch die Repräsentationsaufgaben des Staatsoberhaupts im Ausland wahrnehmen. Durch ein offenes Bekenntnis zur Mitverantwortung von Österreich am Grauen der NS-Zeit verdiente sich Vranitzky hohes internationales Ansehen. Es gelang ihm, die angespannten Beziehungen zu den USA zu lockern und eine Aussöhnung mit Israel herbeizuführen.
Abgrenzung zur Haider-FPÖ
Gegenüber der rechtspopulistischen FPÖ und dem zum Teil offen mit rechtsextremen Versatzstücken operierenden Jörg Haider grenzte sich Vranitzky deutlich ab. Vor allem das Thema „Ausländer“ wurde nun zunehmend zu einem Politikfeld, das polarisierte, und die Freiheitlichen ließen nichts unversucht, diese Polarisierung immer weiter anzuheizen. Nach einem Anti-Ausländer-Volksbegehren der FPÖ („Österreich zuerst“) kam es 1993 zur mit 250.000 Teilnehmern größten Demonstration der Zweiten Republik („Lichtermeer“), mit der gegen Rechtspopulismus und Ausländerfeindlichkeit demonstriert wurde. Gleichzeitig gewann die FPÖ unter dem polarisierenden Jörg Haider bei Wahlen massiv an Stimmen dazu.
Zwei Drittel für EU-Beitritt
Der größte Erfolg der zehneinhalbjährigen Ära Vranitzky war sicherlich die erfolgreiche Volksabstimmung über den Beitritt zur Europäischen Union, für den sich im Juni 1994 rund zwei Drittel der Wählerschaft entschieden. Im Vorfeld der Abstimmung hatte sich die sozialdemokratische Linie durchgesetzt, dass in einem „Brief nach Brüssel“ im Sommer 1989 ausdrücklich ein Neutralitätsvorbehalt aufgenommen werden sollte. Mit Sicherheit hat diese Verankerung der in Österreich überaus populären Neutralität das Abstimmungsergebnis erheblich begünstigt. Der Beitritt Österreichs zur EU erfolgte dann mit Jahresbeginn 1995.
Die nur ein Jahr nach den Nationalratswahlen 1994 von der ÖVP und ihrem neuen Bundesobmann Wolfgang Schüssel vom Zaun gebrochenen Neuwahlen 1995 brachten der ÖVP nicht den erwünschten Erfolg. Denn die SPÖ gewann über drei Prozentpunkte dazu, die ÖVP konnte nur minimal zulegen, während die kleineren Parteien alle – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß – verloren.
Anfang 1997 verkündete Vranitzky überraschend seinen Rückzug aus der Politik; sein Nachfolger als Bundeskanzler und Parteivorsitzender wurde Viktor Klima, der schon seit 1992 – zuerst als Verkehrs-, später als Finanzminister – im Kabinett Vranitzky gewesen war.