Der Internationale Frauentag steht für den langen Kampf der Frauen für eine gleiche Teilhabe an einer gerechten Gesellschaft. Verlangten die Frauen früher das Wahlrecht oder menschenwürdige Arbeitsbedingungen für Fabrikarbeiterinnen, wird heute die Hälfte der Posten für Entscheidungsträgerinnen in Politik und Wirtschaft verlangt. Die Forderung der ersten Stunde nach „gleichem Lohn für gleiche Arbeit“ ist bis heute nicht zufriedenstellend umgesetzt.
Der Kampf um gleiche Rechte und Frieden
Nun ist’s genug der stummen Klag‘,
nun steigt herauf des Kampfes Tag,
des Kampfes, den wir nicht beschließen,
eh wir das gleiche Recht genießen.
Wiener Frauenwahlrechtslied von Therese Schlesinger (1911)
Wenn Frauen auf allen Kontinenten – oftmals getrennt durch nationale Grenzen oder durch ethnische, sprachliche, kulturelle, wirtschaftliche und politische Unterschiede – zusammenkommen, um ihren Tag zu feiern, können sie auf eine Tradition zurückblicken, die mindestens neun Jahrzehnte des Kampfes für Gleichheit, Gerechtigkeit, Frieden und Entwicklung bedeutet.
Der Internationale Frauentag ist die Geschichte von gewöhnlichen Frauen, die Geschichte geschrieben haben: Er wurzelt in dem jahrtausendealten Kampf der Frauen für eine gleiche Teilhabe an der Gesellschaft. Im antiken Griechenland rief Lysistrata zum sexuellen Streik gegenüber den Männern auf, um einen Krieg zu beenden; während der Französischen Revolution marschierten Pariser Frauen nach Versailles und verlangten unter der Devise „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ das Frauenwahlrecht.
Entstehung des Internationalen Frauentages
Die Idee des Internationalen Frauentages wurde zum ersten Mal um die Wende zum vorigen Jahrhundert geboren, als die industrialisierte Welt expandierte, Unruhe herrschte, die Bevölkerung rasch wuchs und radikale Ideologien aufkamen. In Übereinstimmung mit einer Deklaration der Sozialistischen Partei Amerikas wurde der erste nationale Frauentag am 28. Februar 1909 in den USA begangen.
Das Treffen der Sozialistischen Frauen-Internationale 1910 in Kopenhagen legte auf Antrag der deutschen Sozialistinnen Clara Zetkin und Käte Duncker einen Frauentag fest, um die Bewegung für Frauenrechte zu ehren und Hilfe bei der Erlangung des universellen Frauenwahlrechts zu leisten. Der Vorschlag wurde durch die Konferenz von über 100 Frauen aus 17 Ländern, einschließlich der ersten drei Frauen, die ins Finnische Parlament gewählt worden waren, einstimmig begrüßt. Es wurde noch kein fixes Datum für die Begehung des Tages gewählt.
„Heraus mit dem Frauenwahlrecht!“
Als Ergebnis des Beschlusses von Kopenhagen aus dem Jahr 1910, wurde der Internationale Frauentag 1911 zum ersten Mal am 19. März in Österreich-Ungarn, Dänemark, Deutschland und der Schweiz begangen, wo mehr als eine Million Frauen und Männer an Märschen teilnahmen. „Hunderte Veranstaltungen“, schrieb die „Arbeiterinnen-Zeitung“ fanden in ganz Österreich statt, etwa 20.000 sozialistische Frauen demonstrierten auf der Wiener Ringstraße und forderten „Heraus mit dem Frauenwahlrecht!“.Die Wahl dieses Datums sollte den revolutionären Charakter des Frauentags unterstreichen, weil der 18. März der Gedenktag für die Gefallenen in Berlin während der Revolution 1848 war und auch die Pariser Commune im Monat März begonnen hatte (18. März bis 28. Mai 1871).
In den folgenden Jahren beteiligten sich am Frauentag, der meistens an wechselnden Daten im März oder April stattfand, weltweit Millionen von Frauen an Demonstrationen, Kundgebungen und Aktionen.
Nach dem erfolgreichen Ende des Kampfes um dieses Recht mit Beginn der Ersten Republik Österreich wurden hier an den Frauentagen vor allem Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen und Schutzmaßnahmen, nach einer besseren Absicherung im Alter, aber auch bereits für eine Reform des Eherechts und gegen den Abtreibungsparagraphen §144 im Strafgesetz erhoben.Erst 1921 wurde der Internationale Frauentag auf den 8. März festgelegt, und zwar von der 2. kommunistischen Frauenkonferenz.
Über den Ursprung des Internationalen Frauentages am 8. März gibt es verschiedene Theorien und Deutungen.
Einigen Quellen zufolge geht das genaue Datum auf den 8. März 1857 zurück, an dem Textilarbeiterinnen in New York in Streik traten. Andere Quellen nennen den 8. März 1908 als jenen Tag, an dem die Arbeiterinnen der Textilfabrik „Cotton“ in New York in Streik traten, um bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen zu fordern. Die Fabrikbesitzer und Aufseher schlossen die Frauen in die Fabrik ein, um den Kontakt und die Solidarisierung mit anderen Belegschaften zu verhindern. Als plötzlich ein Feuer ausbrach, starben 129 Arbeiterinnen in den Flammen. Weitere Quellen erwähnen, dass mit dem Datum 8. März auch an den großen Textilarbeiterinnen-Streik in St. Petersburg erinnert werden sollte, der auf andere Sektoren übergriff und eine große Arbeiterinnendemonstration auslöste. Diese Kämpfe fanden anlässlich des Frauentages am 8. März 1917 statt – nach dem alten russischen Kalender am 23. Februar – und lösten den Beginn der „Februarrevolution“ aus.
Dieses Datum sollte von nun an internationale Bedeutung für die Interessen und den Kampf aller ausgebeuteten und unterdrückten Frauen bekommen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Wurzeln des Internationalen Frauentags in der Tradition proletarischer Frauenkämpfe liegen.
Nationalsozialismus und Krieg bremsen den Kampf der Frauen
Der Vormarsch von Faschismus und Nationalsozialismus in Europa verdrängte auch den Befreiungskampf der proletarischen Frauenbewegung. Der letzte Frauentag in Österreich fand 1933 statt und hatte bereits den „Kampf gegen Faschismus immer und überall!“ zur zentralen Forderung erhoben. Das durch den Faschismus und Nationalsozialismus propagierte Bild der Frau als Mutter setzte sich auch nach 1945 fort – in den 50er und 60er Jahren spielte nach Kriegsende bis in die 50er und 60er Jahre hinein hatte der Frauenkampf viel an Dynamik eingebüßt und der Kampf um ein selbstbestimmtes Leben der Frauen blieb im Hintergrund. Zwar wurde der Frauentag wieder gefeiert, doch standen die Veranstaltungen unter Parolen wie „Glück der Familien – Frieden für die Welt“. Der Frauenkampf spielte zu dieser Zeit keine große Rolle mehr, da sich das Bild der Kleinfamilie als kleinste Einheit des Gesellschaftssystems breitmachte und die Befreiungsbestrebungen der Frauen verdrängte.
Feministischer Aufschwung in den 70er Jahren
Mit dem gesellschaftlichen Aufbruch Anfang der 70er Jahre und dem Entstehen der autonomen Frauenbewegung rückte die Frau als eigenständiges Wesen abseits ihrer Funktionsrolle als Mutter wieder ins Zentrum der Frauentagsaktivitäten. 1975 erreichten die wieder kämpferisch auftretenden sozialistischen Frauen mit der „Fristenlösung“, die den Schwangerschaftsabbruch in den ersten drei Monaten straffrei macht, einen entscheidenden Erfolg. Johanna Dohnal – und drei weitere Frauen – wurden 1979 von Bundeskanzler Bruno Kreisky als Staatssekretärinnen in die Regierung geholt. Gleichstellungsfragen wurden erstmals auf Regierungsebene behandelt.
Meilensteine der österreichischen Gleichstellungspolitik unter Dohnal
Unter einer sozialdemokratischen Regierung wurden in den folgenden Jahren vielfältige Reformen umgesetzt, auf die am Frauentag Bezug genommen wurde und die zu Meilensteinen der österreichischen Gleichstellungspolitik wurden. Als Beispiele seien genannt:
- Reformen im Familien- und Eherecht: Der Mann gilt nicht mehr als Familienoberhaupt;
- Arbeitsrecht: Frauen brauchen für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht mehr die Einwilligung ihrer Männer
- Einführung eines Gleichbehandlungsgesetzes
- Eröffnung von Frauenhäusern
- Verbesserungen für Alleinerzieherinnen, die erstmals als gesellschaftliche Realität anerkannt wurden.
1990: Die erste Frauenministerin
1990 wurde Johanna Dohnal als erste Bundesministerin für Frauenangelegenheiten angelobt und ist somit erste Frauenministerin in der österreichischen Geschichte. Dohnal schuf gleich das Gewaltschutzgesetz, welches etwa die Möglichkeit vorsieht, auch in aufrechter Ehe einem gewalttätigen Ehepartner den Zutritt zur Wohnung mittels einstweiliger Verfügung gerichtlich zu untersagen.
1993 trat dann das “Gleichbehandlungspaket” in Kraft, das den unterschiedlichen Lebensbedingungen der Frauen Rechnung trägt und die berufliche Gleichstellung der Frauen sicherstellen soll. Es umfasst aber auch das generelle Verbot der mittelbaren Diskriminierung von Frauen im Allgemeinen.
Moderne Frauenpolitik: Die traditionelle Rolle der Männer bröckelt
Der politische Diskurs ab den 90er Jahren bezog aber auch vermehrt die gesellschaftliche Rolle der Männer mit ein. Die Einführung der Väterkarenz und Kampagnen wie, „Starke Männer machen Halbe/Halbe“ spiegeln dies wider. Die ÖVP-FPÖ Regierung von 2000 – 2006 sorgte allerdings für Stillstand in der Frauenpolitik, konservative Reformen führten zu zahlreichen sozialen Nachteilen für Österreichs Frauen. So bescherte etwa eine “Pensionsreform” den Frauen massive Einschnitte bei der Altersvorsorge, weil die gesamte Lebensarbeitszeit für die Pension herangezogen wurde und nicht mehr nur die “besten 15 Jahre” wie bisher. Die sogenannte „Kindergarten-Milliarde“ für den Ausbau der Betreuungseinrichtungen wurde abgeschafft.
Die Frauentage 2000 bis 2006 waren geprägt von heftigen Protesten gegen die schwarz-blaue „Zurück-an-den-Herd“-Politik. Das Frauenminsterium war abgeschafft, der Unternehmer Martin Bartenstein hat als „Familienminister“ den Frauen sein konservatives Rollenbild aufgedrängt, die „Bartensteinzeit“ wurde zum geflügelten Wort.
Von 2000 bis 2003 waren die Frauenagenden im Sozialministerium angesiedelt, von 2003 bis 2007 im Ministerium für Gesundheit und Frauen.
2007: Die SPÖ erobert das Frauen-Ressort zurück
Wenige Monate nach dem Wiedereintritt der SPÖ in die Bundesregierung 2007 wurden wesentliche Verbesserungen für Frauen am Arbeitsmarkt beschlossen: die Einführung eines Mindestlohnes für alle Kollektivverträge, ein Wochengeld für Freie Dienstnehmerinnen, ein Zuschlag für Mehrarbeitsstunden bei Teilzeitbeschäftigung. Der Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen wurde beschleunigt, das letzte Kindergartenjahr ist österreichweit verpflichtend und gratis.
2010 wurde das einkommensabhängige Kindergeld Realität. Eltern können aus fünf Varianten wählen, diese Flexibilisierung eröffnet Familien mehr Möglichkeiten und Frauen mehr Chancen, Familie und Beruf besser unter einen Hut zu bringen. Vor allem, weil es nun finanziell attraktiver wird, die Babypause deutlich kürzer zu gestalten, wodurch der berufliche Wiedereinstieg erleichtert wird. Und andererseits kann nun den Wünschen vieler Väter, ebenfalls eine Zeit lang beim Kind zu bleiben, leichter nachgekommen werden, da das Familieneinkommen bei der einkommensabhängigen Variante nicht dramatisch sinkt, wenn der Vater in Karenz geht.
Heute sind Feministinnen häufig mit dem Mythos konfrontiert, beiden Geschlechtern stünden längst die gleichen Chancen offen und ihr Kampf sei daher obsolet. Tatsächlich ist die Diskriminierung von Frauen – im Job durch ungleiche Bezahlung und schlechtere Karrierechancen, in der Familie durch ungleich verteilte Haus- und Betreuungsarbeit – weiterhin tief verwurzelt.
Am 19. März 1911 gingen tausende Frauen auf die Straße und kämpften für ihre Rechte. Ihre Forderungen waren: allgemeines Frauenwahlrecht, Arbeitsschutzgesetze, Mutter- und Kinderschutz, 8-Stunden-Tag, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Senkung der Lebensmittelpreise, Einführung einer Sozialversicherung, die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs und die Verhinderung des sich am Horizont bereits abzeichnenden Ersten Weltkrieges.
Viele dieser Forderungen sind für uns heute selbstverständlicher Bestandteil unseres Alltags geworden, da sie im Laufe der letzen 100 Jahre erfüllt wurden. Ein positives Beispiel ist in jüngerer Vergangenheit etwa die Novellierung des Bundes-Gleichbehandlungsgesetzes.
Gleichzeitig sind viele Forderungen leider noch immer aktuell und einige neue hinzugekommen. Frauen treten nach wie vor aktiv gegen Krieg und Gewalt auf, gleichzeitig wird für viele Frauen die Familie zum „Kriegsschauplatz“ – jede fünfte Frau erlebt Gewalt, Unterdrückung und Erniedrigung in ihrem nahen sozialen Umfeld. Nicht nur Gewalt hindert Frauen an einem selbstbestimmten und gleichberechtigten Leben, sondern viele gesellschaftliche, politische, rechtliche und soziale Bedingungen erschweren Frauen ein selbstbestimmtes und gleichberechtigtes Leben. Bis heute ist die Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit aktuell.
Der Frauentag ist also – mehr als 100 Jahre nach seiner Einführung – nicht bloß ein Fest, sondern immer noch ein Kampftag.
Kurzfilm: „100 Jahre Internationaler Frauentag“: https://youtu.be/tC5W5N1z9yo