Bruno Pittermann

Vorsitzender der SPÖ 1957-1967, Vizekanzler 1957-1966, Klubobmann 1956-1970

Bruno Pittermann wurde 1905 in Wien als Sohn eines Wagnergehilfen und einer Köchin geboren. Seit seinem 18. Lebensjahr war er in der Sozialdemokratie politisch aktiv und engagierte sich beim sozialistischen StudentInnenverband. Seine Beziehung zu Adolf Schärf, dem damaligen Klubsekretetär der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, verhalf ihm zu Positionen in der Partei. Nach abgeschlossenem Philosophiestudium und Promotion war Pittermann zunächst als Mittelschullehrer für Geographie und Geschichte sowie als Arbeiterkammerfunktionär in Kärnten tätig. Im Zuge der Ereignisse des 12. Februar 1934 wurde er verhaftet und war zum Rücktritt von seinen Parteiämtern gezwungen. Pittermann blieb aber bei den verbotenen Revolutionären Sozialisten weiterhin tätig und absolvierte in der Zeit der Illegalität ein Jusstudium. Zur Promotion zum Dr.iur. suchte er wegen seiner jüdischen Frau Marie nicht an, da er es ablehnte einen Eid auf Adolf Hitler zu schwören. Diesen zweiten Doktortitel bekam er 1946 verliehen. Pittermann und seine Frau konnten die Zeit des Nationalsozialismus und den Krieg und die nationalsozialistische Herrschaft bis 1944 bei einem befreudeten Rechtsanwalt und danach in Oed bei Amstetten überstehen.

Mit rhetorischer Begabung zum Klubvorsitzenden


Nach Kriegsende wurde Bruno Pittermann 1945 erst Sekretär des Sozialstaatssekretärs Johann Böhm, danach AK-Sekretär und schließlich über ein Reststimmenmandat Nationalratsabgeordneter. Als Parlamentarier tat er sich durch seinen bissigen Witz und seine Schlagfertigkeit sowie durch seine eloquenten, temperamentvollen und inhaltlich gut vorbereiteten Reden hervor. Von 1948 bis 1949 fungierte Pittermann als Fraktionssekretär, ab 1949 als geschäftsführender und ab 1956 als ordentlicher Klubvorsitzender des sozialdemokratischen Parlamentsklubs. Als Kenner der Usancen und der Geschäftsordnung des hohen Hauses, als harter Verhandler sowie durch seine herausragenden Kenntnisse in Sozial- und Wirtschaftspolitik nahm er für die Parlamentsfraktion eine bedeutende Rolle ein.

Parteivorsitz ab 1957


Im Jahr 1957 übernahm Bruno Pittermann den Parteivorsitz der SPÖ und nahm auf mehreren Ebenen Reformen in Angriff. Neue Formen und Möglichkeiten der Meinungsforschung und der Public Relations wurden für die Partei nutzbar gemacht und Mehrfachfunktionen der sozialdemokratischen Abgeordneten reduziert. Auf inhaltlicher Ebene wurde mit dem neuen Parteiprogramm von 1958 eine neue Richtung eingeschlagen. Das Linzer Programm von 1926 wurde abgelöst und ein programmatischer Bruch mit dem Austromarxismus vollzogen. Mit dem Programm sprach sich die SPÖ aber weiterhin gegen die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen und für den Weltfrieden aus, erklärte soziale Sicherheit zum Ziel und sprach sich für eine Verbesserung der Beziehung der Sozialdemokratie zur katholischen Kirche aus. Mit der Übernahme des Parteivorsitzes bekleidete Pittermann nun auch das Amt des Vizekanzlers und übernahm die Zuständigkeit für die verstaatlichte Grundstoffindustrie. Von 1964 bis 1976 fungierte Pittermann als Präsident der Sozialistischen Internationale.

Verstärkte europäische Zusammenarbeit


Gemeinsam mit Bruno Kreisky – zu diesem Zeitpunkt Staatssekretär im Bundeskanzleramt – betrieb Pittermann den Anschluss an die neu gegründete Freihandelszone EFTA 1959/60. Der Beitritt zur 1957 gegründeten EWG war wegen des kurz zuvor beschlossenen Neutralitätsgesetzes und wegen der Blockade durch die UdSSR nicht möglich. Begründet wurde der Einspruch der Sowjetunion mit dem im Staatsvertrag festgelegten Anschlussverbot an Deutschland. Pittermann zum Beitritt:

„Ich möchte (…) meine Anerkennung jenen Österreichern zollen, die in (…) der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts, nachdem das Europa der Zeit vor dem ersten Weltkrieg durch den Weltkriegsausgang zerfallen war – erstmals in der jüngsten Gegenwart den Versuch unternommen haben, zu einer neuen europäischen Ordnung zu kommen. Wir haben als Österreicher aus diesem damals vorerst erfolglosen Bemühen geradezu eine moralische Verpflichtung, die Bemühungen anderer europäischer Staaten und Völker um die friedliche Vereinigung der europäischen Staaten mit unserer ganzen Tatkraft zu unterstützen.“

Die Olah-Affäre und Wahlniederlage


Mit dem mächtigen ÖGB-Präsidenten und Innenminister Franz Olah erwuchs Bruno Pittermann ein ernstzunehmender Konkurrent um das Amt des Parteivorsitzes. Wegen der Veruntreuung von Gewerkschaftsgeldern zur Finanzierung der Kronen-Zeitung und der FPÖ wurde Olah aus der Partei ausgeschlossen, aber das Öffentlichwerden der Affäre schadete dem Ansehen der SPÖ beträchtlich. Bei der Nationalratswahl 1966 kandidierte Olah mit seiner neu gegründeten rechtspopulistischen Demokratischen Fortschrittlichen Partei (DFP), die der Sozialdemokratischen Partei zahlreiche Stimmen kostete. Zudem wurde vonseiten der KPÖ eine Wahlempfehlung für die SPÖ abgegeben, von der sich Pittermann nicht ausdrücklich distanzierte und die von der ÖVP für einen Angstwahlkampf genutzt wurde. Die schlechte Performance im Zusammenhang mit der Habsburgkrise und mit dem Rundfunkvolksbegehren trug ihr Übriges dazu bei, der Sozialdemokratie bei der Wahl 1966 eine Wahlniederlage zu bescheren, aus der die Volkspartei mit der ersten absoluten Mehrheit in der Geschichte der Republik hervorging. Die SPÖ war nun erstmals seit 1945 nicht mehr in der Bundesregierung vertreten.

Bruno Pittermann und Bruno Kreisky am SPÖ-Parteitag 1970 (Foto: SPÖ)

Vorsitzwechsel – Bruno Kreisky


Die Wahlniederlage kostete Pittermann nicht nur das Amt des Vizekanzlers, sondern auch den Parteivorsitz, den 1967 Bruno Kreisky übernahm. Er blieb aber bis 1970 Klubvorsitzender und bis 1971 Nationalratsabgeordneter. Im Nationalrat setzte Pittermann von nun an als Oppositionsführer die ÖVP unter Druck und unterstützte Kreisky bei der Erneuerung der Partei. Nach mehreren Schlaganfällen ab 1975 war es Pittermann nicht mehr möglich, sein Amt als Vorsitzender der Sozialistischen Internationale auszuführen. Der Ehrenbürger der Stadt Wien verstarb nach langem Leidensweg 1983 ebendort. In Wien Meidling wurde der Bruno-Pittermann-Platz nach ihm benannt.

Bruno Pittermann (Foto: ÖGB-Archiv)
Bruno Pittermann (Foto: ÖGB-Archiv)