Sozialistische Jugend (SJÖ), Geschichte

Vom Verein jugendlicher Arbeiter zur Sozialistischen Jugend Österreich

Entstehung

Im November 1894 wurde die Sozialistische Jugend Österreichs gegründet: Sie ging aus dem „Verein Jugendlicher Arbeiter“ hervor, der sich am 4. November 1894 in Wien Margareten konstituierte. Bereits 1893 wird von zwei Jugendgruppen berichtet, die in Ottakring und Hernals ihre Tätigkeit entfalteten. Die Hauptbeschäftigungen der Lehrlinge in der Ottakringer Vereinigung „Bücherskorpion“ und der Hernalser Gruppe „Jugendbund“ bestanden in gemeinsamem Lernen, Lesen, in Rechtschreibübungen und Vorlesungen aus den Werken revolutionärer Schriftstellerinnen und Schriftstellern. Soziale und politische Fragen gelangten dabei immer häufiger auf die Tagesordnung, auch weil die Lehrlinge täglich an ihr eigenes Los erinnert wurden.

Am 4. November 1894 erfolgte die Vereinsgründung. Im Gründungsflugblatt hieß es: „Jedes Tier hat seinen Beschützer, das sind die Tierschutzvereine, die dafür sorgen, dass das Pferd nicht unnötigerweise vom Kutscher geschlagen wird; die Vögel haben ihre Beschützer, die dafür sorgen, dass sie im Winter ihr Futter finden; und existiert für den Lehrling etwa ein Verein, der dafür sorgt, dass er nicht unmenschlich behandelt wird? Nein!“

Der 4. November 1894 markiert den Beginn einer Erfolgsstory, die – mit Höhen und Tiefen – bis zum heutigen Tage andauert. Mit der Vereinsgründung wurden auch die Voraussetzungen geschaffen, dass die Probleme und Forderungen der Jugendlichen auch und gerade in der sozialdemokratischen Partei zum Thema gemacht wurden. Die sozialistische Arbeiterjugend-Bewegung ist in nur wenigen Jahren zu einem tragenden Element der gesamten österreichischen Arbeiterschaft geworden.

Sozialistische Jugend in der 1. Republik

Im Jahr 1919 erhielt die Organisation einen neuen Namen; die „Sozialistische Arbeiter Jugend“ (SAJ) entwickelte sich entlang der politischen und organisatorischen Ausbreitung der österreichischen Sozialdemokratie in der Ersten Republik zu einer echten Massenorganisation der Arbeiterjugend. Bereits 1923 verzeichnete sie einen Mitgliederstand von 38.000 Mitgliedern. Die massive Kraft der SAJ bestand vor allem im hohen Niveau der inhaltlichen Arbeit, der Diskussionen und Schulungen sowie in ihrer organisatorischen Stärke. Damit erlangte sie die führende Rolle bei der Unterstützung des parlamentarischen und außerparlamentarischen Kampfes der Arbeiterjugend für ihre sozialen Rechte.

Sozialistische Jugend während des Austrofaschismus und Nationalsozialismus

Aus der verbotenen SAJ ging die Revolutionäre Sozialistische Jugend (RSJ) hervor. Die RSJ konnte auf einen Großteil der meisten Jugendfunktionäre aus der SAJ zurückgreifen, denn die meisten von ihnen waren arbeitslos und wollten sich zumindest die sozialistische Jugendgemeinschaft, die ihrem Leben selbstbestimmenden Inhalt gegeben hatte, nicht auch noch wegnehmen lassen. Sehr viele junge Sozialisten büßten nach 1934 ihr Engagement für die Widerstandsbewegung mit hohen Kerkerstrafen oder sogar mit dem Tod. Josef Gerl etwa, ein Funktionär des Wiener Verbandes, wurde am 24. Juli 1934 hingerichtet.

Dennoch bekannten sich die Mitglieder der RSJ in Blitzkundgebungen, in Zeitungsartikeln und auch vor Gerichten zu ihrer sozialistischen Überzeugung. Die beiden ersten Führer der RSJ, der 1945 im KZ ermordete Roman Felleis und der spätere Parteivorsitzende und Bundeskanzler Bruno Kreisky, zählten im großen Sozialistenprozess 1936 zu den mutigsten Rednern.

Sozialistische Jugend in der 2. Republik

Einen Tag vor der Bestellung der ersten österreichischen Regierung unter Karl Renner am 28. April 1945 nahm der Wiederaufbau der Sozialistischen Jugend unter dem Vorsitz von Peter Strasser seinen Anlauf. Die Teilung des Landes in vier Besatzungszonen machte eine Kontaktaufnahme mit sozialistischen Jugendlichen im Westen und Süden praktisch unmöglich. Es dauerte Monate, bis die Verbindung zwischen den einzelnen Bundesländern einigermaßen funktionierte.

Mit der neuen Bezeichnung „Sozialistische Jugend Österreichs“ (SJÖ) wurden gleichzeitig das Programm und die neue Zielsetzung zum Ausdruck gebracht: Die Sozialistische Jugend verstand und versteht sich als Organisation für alle arbeitenden und studierenden Jugendlichen beiderlei Geschlechts, die sich zu den Grundsätzen des Sozialismus bekennen. Ihre Aufgabe war und ist nicht mehr allein die Interessensvertretung der ArbeiterInnenjugend oder der StudentInnen, nicht allein die politische Erziehung oder die sportliche Ertüchtigung, sondern die universelle, auf den ganzen Menschen bezogene Erfassung der Jugendlichen. Diese Grundsätze beanspruchen auch heute noch Gültigkeit, wenngleich sich im Verlaufe der folgenden Jahrzehnte die Prioritäten mehrmals verschoben haben.

Die Anfänge des Europacamps: https://youtu.be/283FtMpL-ZI

In den 1970er und 1980er Jahren mobilisierte die SJÖ gemeinsam mit der Friedensbewegung gegen Militarisierung und brachte sich stark in die Anti-Atomkraft-Bewegung ein. Ein großer Erfolg der SJÖ war die Einführung des Zivildienstes – allerdings mit der Einschränkung der „Gewissensprüfungskommission“. Eine der alten Forderungen der SJ, die Verkürzung der Arbeitszeit für Jugendliche auf 40 Wochenstunden, wurde zwischen 1970 und 1975 verwirklicht. Auch das Jugendvertrauensgesetz wurde auf Initiative der SJ unter der Kanzlerschaft Bruno Kreiskys beschlossen.

Ein effektives Auftreten der SJÖ war nach Einschätzung vieler BeobachterInnen die Vorzugsstimmen-Kampagne für den damaligen Vorsitzenden Josef Cap. Nach dessen drei provokanten Fragen an den burgenländischen Landeshauptmann Theodor Kery und der darauf folgenden Hinauswahl Caps aus dem Bundesparteivorstand der SPÖ wurde er rasch zum Symbol für politische Moral und gegen Privilegien. Das durch eine Plakataktion der Wiener SJ und des VSSTÖ unterstützte positive Ergebnis am Wahltag wurde so zu einer Wählerkoalition der neuen Art, die damit auch die SJÖ wieder aus ihrer innerparteilichen Isolation befreite. Die darauffolgende Amtszeit von SJ-Vorsitzendem Alfred Gusenbauer war von der veränderten politischen Situation in Österreich geprägt. Vor allem nach dem Verlust der absoluten Mehrheit der SPÖ bei den Nationalratswahlen 1983 sollte sich der Spielraum der SJ deutlich verringern.

Eine Krise traf die SJÖ in den 1990er Jahren: Ihre Überwindung sollte in vollem Umfang erst ab dem Verbandstag 2000 gelingen. Die neue Projektorientierung generierte zwar partiell neue, an der Organisation interessierte Menschen, jedoch führte diese Orientierung auf der anderen Seite zum verstärkten Zusammenbrechen traditioneller Kernstrukturen. Das politische Programm der SJ war einerseits auf die Auseinandersetzung mit der Mutterpartei SPÖ orientiert, und andererseits auf die Entwicklung einer neuen, pragmatischen Linie. Vor diesem Hintergrund markiert das Reformprogramm des damaligen SJÖ-Verbandsvorsitzenden Winkler den Beginn eines Konflikts zwischen den „Traditionalisten“ und den „Modernisten“ in der SJÖ, der in den folgenden Jahren offen ausbrechen sollte.

2000er Jahre

Den Rechten die Zähne zeigen

Der Verbandstag 2000 sollte dem Kurswechsel der Sozialistischen Jugend Österreichs dann die entscheidende Richtung geben. Mit der Wahl von Andreas Kollross zum Verbandsvorsitzenden vollzog sich ein Umschwung der SJÖ hin zu einer (wieder) auf dem Marxismus basierenden politischen Organisation. Der scheinbare Widerspruch zwischen einer traditionellen, marxistisch orientierten SJÖ und modernen Methoden der politischen Jugendarbeit, der in einem fast zehn Jahre währenden Konflikt die SJÖ gelähmt hatte, konnte aufgelöst und in gleichsam dialektischer Form in eine neue politische Qualität gehoben werden.

Besonders die Frage feministischer Politik rückte ab 2000 wieder verstärkt ins Zentrum der SJÖ. Im „Selbstbild“ des am Verbandstag 2004 beschlossenen Grundsatzprogramms bekennt sich die SJ heute zu einer antikapitalistischen, antimilitaristischen, antifaschistischen, internationalistischen und vor allem antisexistischen Politik. Sie versteht sich als Organisation, die neben dem Widerspruch zwischen Arbeit und Kapital auch den Widerspruch der Geschlechter erkennt und die Gleichstellung von Mann und Frau nicht als Nebenwiderspruch akzeptiert. Das Ziel der Organisation ist die völlige Gleichstellung von Mann und Frau. Die politische Frauenarbeit wurde statutarisch festgelegt.

Eine erfolgreiche Kampagne gegen Rechtsextremismus gelang der SJÖ mit der Antirassismus-Kampagne „Den Rechten die Zähne zeigen“. Unzählige Jugendliche konnten in den 2000er Jahren so neu für die Sozialistische Jugend gewonnen werden. Zudem gelang es der SJÖ, die Proteststimmung unter den Jugendlichen gegen die schwarz-blaue Bundesregierung auch für den eigenen organisatorischen Aufbau zu nutzen. In den Wahlkämpfen 2002 und 2006 brachte sich die SJÖ stark mit eigenen Wahlkampfkampagnen ein.

Im Zuge der Regierungsverhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP im Jahr 2006 startete die SJÖ eine breite Kampagne für die Einsetzung einer Minderheitsregierung anstatt einer neuerlichen „Großen Koalition“. Die langjährige Forderung der SJÖ, die Wahlaltersenkung auf 16 Jahre, wurde 2007 von der Bundesregierung realisiert.

Reiche Besteuern

Beim Thema Vermögenssteuer bewies die Sozialistische Jugend, dass sie den Finger am Puls der Zeit hat: Mit der bereits im Jahr 2009 gestarteten Kampagne „Reiche müssen zahlen“ machte die SJÖ im gesamten Bundesgebiet Stimmung für Verteilungsgerechtigkeit und die Bewältigung der Finanzkrise-Kosten über die Einführung von Vermögenssteuern. Seit dem Frühjahr 2010 ist die Forderung nach Schaffung einer Reichensteuer offizielle Linie der Bundespartei. Akzente setzte die SJ auch mit ihrem Drängen auf eine rot-grüne Koalition nach der Wiener Landtags- und Gemeinderatswahl 2010.

IUSY-Festival 2011 in Weißenbach am Attersee: https://youtu.be/NlcZKJqzN90

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