Das Karl-Renner-Institut ist die politische Akademie der österreichischen Sozialdemokratie.
Im September 1972 wurde der Verein Dr.-Karl-Renner-Institut gegründet und von der SPÖ als Träger der politischen Bildungsarbeit nominiert. Basis dafür war – ebenso wie für die politischen Akademien der anderen im Nationalrat vertretenen Parteien (damals ÖVP und FPÖ) – das „Bundesgesetz über die Förderung staatsbürgerlicher Bildungsarbeit im Bereich der politischen Parteien sowie der Publizistik“. Die Statuten des Vereins wurden so gefasst, dass das Vereinskuratorium mit dem erweiterten Parteipräsidium und die Generalversammlung mit dem Parteivorstand der SPÖ weitgehend identisch sind. Die Finanzierung erfolgt aus dem Bundesbudget und besteht aus einem für alle politischen Akademien gleichen Sockelbetrag sowie einem Zusatzbetrag, der sich aus der Anzahl der Mandate der jeweiligen Partei im Nationalrat errechnet. Aus dieser Form der Finanzierung ergibt sich die regelmäßige Prüfung der Mittelverwendung durch den Rechnungshof. „Insgesamt können die … Offenlegungs- und Kontrollvorschriften als vorbildlich bezeichnet werden“, urteilte etwa der Politikwissenschafter Hubert Sickinger.
Die Einführung öffentlich finanzierter, parteipolitisch orientierter Bildungseinrichtungen Anfang der siebziger Jahre gründet in einer doppelten Absicht: Zum einen sollen diese Institutionen nach außen wirken, d. h. Staatsbürger:innen Einsicht in politische und gesellschaftliche Zusammenhänge vermitteln und sie so zu politischer Aktivität animieren. Zum anderen sollen sie die Qualifikation der politischen Akteur:innen heben. In seinen Memoiren betonte Bruno Kreisky stärker den zweiten Aspekt: „Sehr viel habe ich zum Beispiel mit der Gründung der Politischen Akademien erreicht, die von allen drei Parteien angenommen wurden und die besonders bei jungen Leuten, die noch bildbar sind, manches Wunder vollbringen. In dem Maße, wie wir uns darum kümmern, aus den jungen Leuten herauszuholen, was in ihnen steckt, schaffen wir auch Hoffnung, die Hoffnung nämlich, dass sie eines Tages die notwendigen Reformbestrebungen einleiten. Parteireformen können immer nur von innen heraus verwirklicht werden, denn Parteien sind wie Muscheln, die sich dem Einfluss von außen am liebsten verschließen.“ Politische Akademien waren somit von vornherein auch als Agenturen der Veränderung und Weiterentwicklung für und innerhalb der österreichischen Parteien gedacht.
Karl R. Stadler, der von den Nationalsozialisten vertriebene und Ende der sechziger Jahre aus der Emigration nach Österreich zurückgekehrte Historiker der Arbeiter:innenbewegung, wurde zum ersten Direktor bestellt. Gleichzeitig bezog das Institut Büroräumlichkeiten im Haus der „Arbeiterzeitung“ in der Rechten Wienzeile 97 in Wien. Der erste Kuratoriumspräsident Bruno Kreisky definierte gemeinsam mit Direktor Stadler die in Gesetz und Vereinsstatut allgemein gehaltene Aufgabenstellung konkret.
Die primäre Aufgabe des Karl-Renner-Instituts sah Kreisky darin, den Lernenden zu ermöglichen, die Vielfalt der Beziehungen zwischen Mensch und Gesellschaft zu erkennen. Dazu gehörten die Grundsätze der politischen Ökonomie ebenso wie die gesellschaftspolitische Rolle der Kultur oder die Funktion der Massenmedien. Es gelte, kritische Staatsbürger:innen zu erziehen, gleichzeitig aber auch das vorhandene Begabungsreservoir auszuschöpfen und vor allem in jungen Menschen die Freude und Lust, politisch zu wirken, zu wecken.
Für Karl R. Stadler bestand 1973 die Aufgabe des Instituts darin, „… das Gedankengut des demokratischen Sozialismus zu vertiefen und zu verbreiten, staatsbürgerliche Erziehung im Sinne der Grundsätze der Bundesverfassung zu fördern und die internationale Zusammenarbeit in demokratischem Geist zu intensivieren.“ Diese Ziele sollen erreicht werden durch Schulungen, Seminare, Enqueten, Fernkurse, Stipendien und Forschungsaufträge, Publikationen, selbstständige wissenschaftliche Arbeiten auf dem Gebiet der Sozialwissenschaft, internationalen Stipendiat:innen- und Referent:innenaustausch sowie internationale Kooperation mit gleichgearteten Institutionen. Außerdem sollte die Arbeit des Instituts durch die (1973/1974 schließlich erfolgte) Gründung von Landesstellen in allen Bundesländern auf ganz Österreich ausgedehnt werden.
Dies ist durchaus als Nachvollzug der SPÖ-Organisationsreform der späten sechziger Jahre zu sehen, die den Bundesländern ausserhalb Wiens statutarisch mehr Gewicht gab, während der bis dahin dominierende Einfluss der Wiener Parteiorganisation, des Zentralsekretariats und des ÖGB entsprechend verringert wurde.
Mit der Berufung Karl Blechas zum Zentralsekretär (1975) und zum Bundesbildungsobmann (1976) begann die Phase der guten Kooperation zwischen der Bildungsorganisation der SPÖ und dem Karl-Renner-Institut. 1976 übernahm im Zuge der Organisationsreform der SPÖ der Bundesbildungsausschuss einen Großteil der Aufgaben der früheren „Sozialistischen Bildungszentrale“ und erfüllt diese – entsprechend dem Bildungsregulativ – seither gemeinsam mit dem Karl-Renner-Institut und der SPÖ-Bundesgeschäftsführung.
In den ersten Jahren konzentrierte sich das Karl-Renner-Institut darauf, Konzepte sozialdemokratischer Bildungsarbeit zu entwickeln sowie Seminare und andere Vermittlungsformen politischen Wissens und Handelns in der Praxis zu erproben. Gleichzeitig profilierte sich das Institut von Anfang an durch Veranstaltungen mit prominenten Persönlichkeiten der Politik, Wirtschaft und Kultur aus dem In- und Ausland in der Öffentlichkeit.
Da die Unterbringung in den Räumen des Vorwärts-Gebäudes lediglich ein Provisorium sein konnte, galt es, einen Ort zu finden, wo sowohl die Büros als auch die Ausbildungseinrichtungen untergebracht werden konnten, um einen kontinuierlichen Studienbetrieb zu ermöglichen. Nach längerer Suche wurde am Khleslplatz im 12. Wiener Bezirk ein entsprechendes Objekt gekauft und renoviert, 1978 erfolgte der Umzug. 1979 nahm das von einer eigenen Betreibergesellschaft errichtete spätere Gartenhotel Altmannsdorf seinen Betrieb auf, sodass Seminarteilnehmer:innen nun auch untergebracht und verpflegt werden konnten.
Mitte 1977 war Karl R. Stadler wegen seiner umfangreichen beruflichen Verpflichtungen an der Universität Linz aus dem Karl-Renner-Institut ausgeschieden. Die Renovierung und Ausstattung des Karl-Renner-Instituts fand daher bereits unter der Leitung des nunmehrigen Direktors und Landesbildungsobmanns von Niederösterreich, Franz Slawik, statt. In dieser Phase wurden die Landesstellen stärker als bisher in die Durchführung von Seminaren einbezogen: Dadurch entstand einerseits ein Österreich weites Netz lokaler und regionaler Bildungsveranstaltungen. Andererseits wurde am zentralen Institut Arbeitskapazität frei, die seither in wissenschaftliche Arbeit, die Erstellung von Skripten und Publikationen sowie die Neuentwicklung und Erprobung von Seminardesigns investiert wird.
Als Franz Slawik 1980 in seinen ursprünglichen Beruf als Schuldirektor in Schwechat zurückkehrte und neue Aufgaben in der niederösterreichischen Landespolitik übernahm, ging die Leitung des Instituts auf den aus Salzburg kommenden Politikwissenschafter Erich Fröschl über. Unter seiner Leitung wurde das Institut im Wettbewerb mit den politischen Akademien der anderen Parteien (seit der Bildung der Grünen und des Liberalen Forums waren es fünf) und sonstigen politischen Erwachsenenbildungseinrichtungen konkurrenzfähig, indem im Sinne einer dynamischen und kontinuierlichen Professionalisierung die Reichweite der Arbeit des Instituts innerhalb der SPÖ und in der Öffentlichkeit systematisch ausgebaut und neue Felder politischer Bildungsarbeit erschlossen wurden. Um die dementsprechend stark gewachsenen Aufgaben des Instituts effizient zu bewältigen, wurde 1992 der Politikwissenschafter und Germanist Karl A. Duffek als stellvertretender Direktor bestellt.
Seit dem Jahr 1993 verleiht das Karl-Renner-Institut alljährlich den renommierten Bruno-Kreisky-Preis für das politische Buch und vergibt seit 2016, gemeinsam mit dem SPÖ-Parlamentsklub, auch den Kurt Rothschild Preis für Wirtschaftspublizistik.
Mit 1. Jänner 1999 übernahm Karl A. Duffek die Leitung des Instituts, Erich Fröschl wurde Chef der neu gegründeten Akademie für Internationale Politik des Karl-Renner-Instituts, eine Funktion, in der er bis zu seinem pensionsbedingten Ausscheiden aus dem Institut Ende Oktober 2009 sehr engagiert war.
Um den weiter wachsenden Aufgaben des Instituts gerecht zu werden, wurde mit September 2006 auf Vorschlag von Direktor Karl A. Duffek die Politikwissenschafterin und Psychologin Barbara Rosenberg zur stellvertretenden Direktorin des Karl-Renner-Instituts bestellt.
Nach dem viel zu frühen Tod von Karl A. Duffek, mit dem die Republik und die Sozialdemokratie einen großen und wichtigen Vordenker verloren hat, wurde sie Sozioökonomin Maria Maltschnig im Oktober 2016 zur Direktorin und der Historiker Michael Rosecker zu ihrem Stellvertreter bestellt. Die Präsidentschaft ging im November 2017 von Alfred Gusenbauer auf den damaligen SPÖ-Vorsitzenden, Christian Kern über. Im Dezember 2018 folgte die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures als Präsidentin des Instituts nach. Weitreichende Entscheidungen wurden beim SPÖ-Bundesparteipräsidium und SPÖ-Bundesparteivorstand 2017 getroffen: das Gartenhotel Altmannsdorf solle verkauft werden. Begründet wurde dieser Schritt mit notwendigen Investitionen in die Gebäude, die anstünden und nicht der Hauptaufgabe einer politischen Partei entsprächen. Noch Ende 2018 zog das Karl-Renner-Institut in neue Räumlichkeiten in der Nähe des Hauptbahnhofs Wien. Direktorin Maltschnig sprach von einem Aufbruch in die Zukunft. Die über 1.000 m² umfassenden neuen Räumlichkeiten in Bahnhofsnähe wurden nach den Anforderungen einer modernen Parteiakademie gestaltet – durchgängig barrierefrei und am neuesten Stand der Technik. Diese Zäsur machte sich auch in der Arbeit des Karl-Renner-Instituts bemerkbar: Es entstand ein eigener Bereich zum Schwerpunkt Wissenschaft und Politik, der Social-Media-Auftritt wurde professionalisiert und neue Lehrgänge zu thematischen Schwerpunkten („Digitale Zivilcourage“, „Medienakademie“, „Moderation als innovative Prozessgestaltung“ etc.) wurden entwickelt und richteten sich neben sozialdemokratischen Aktivist:innen, Funktionär:innen und Mandatar:innen auch an die interessierte Öffentlichkeit. 2022 feierte das Karl-Renner-Institut sein 50-jähriges Jubiläum und Wirken mit einer hochkarätig besetzen Festveranstaltung.
(Quelle: www.renner-institut.at )