Nach der Ausschaltung des Parlaments 1933 durch die christlich-soziale Regierung wurde Österreich bis zum „Anschluss“ an das nationalsozialistische Deutschland 1938 von einem faschistischen, christlichsozialen Regime regiert.
Nachdem die Regierung Dollfuß – ein rechtskonservatives Bündnis aus Christlichsozialer Partei, Landbund und Heimatblock – im März 1933 einen Formalfehler bzw. eine Geschäftsordnungspanne des Parlaments nutzte, um das Parlament und wenige Monate später auch den Verfassungsgerichtshof auszuschalten, wurde die Republik Österreich Schritt für Schritt zu einem autoritären Ständestaat mit faschistischen Zügen umgebaut. Die regierenden Parteien stützten sich hierbei auch maßgeblich auf das Zaudern und Schweigen des Bundespräsidenten Wilhelm Miklas, die katholische Kirche, die staatliche Bürokratie, Bundesheer und Polizei, sowie die Wehr- und Unternehmerverbände, nachdem antidemokratische, antimarxistische und berufsständische Ideen seit Ende der 1920er Jahren zunehmend Verbreitung gefunden hatten. Nach der Ermordung von Engelbert Dollfuß durch nationalsozialistische Putschisten im Jahr 1934 führte bis zum „Anschluss“ an Deutschland Kurt Schuschnigg den austrofaschistischen Staat.
Opposition und Repression:
Oppositionelle Parteien und Bewegungen, wie Sozialdemokratie (Februar 1934), KPÖ (Mai 1933) und NSDAP (Juni 1933) wurden schrittweise verboten. Nach den Februarkämpfen wurde nicht nur die SDAP und die Freien Gewerkschaften verboten, sondern auch alle sozialdemokratischen Vorfeldorganisationen. Das regierende Bündnis wurde zu einer Einheitspartei, der Vaterländischen Front (VF) zusammengefasst. Ebenso wurde die Regierung nach der endgültigen Beseitigung von National- und Bundesrat im April 1934 zur zentralen Gesetzgebungsinstanz. Justiz- und Sicherheitsapparat, sowie der öffentliche Dienst wurden gleichgeschaltet und eine Reihe repressiver Instrumente geschaffen. Dazu gehörten unter anderem die Wiedereinführung der Todesstrafe, sogenannte Anhaltelager, sowie Sondergerichte. Die Medien- und Pressefreiheit wurden beseitigt und offen ausgetragene Interessenkonflikte unterbunden. Gegen politische Gegner wurde mittels Verwaltungsstrafen der Polizei, Urteilen von ordentlichen und Sondergerichten, Einweisung in die Anhaltelager und wirtschaftlichen Eingriffen, wie Enteignungen vorgegangen. Die zentrale Kontrolle über den Sicherheitsapparat wurde im Bundeskanzleramt gebündelt, die Kompetenzen von Polizei und Gendarmerie erweitert und ein Staatspolizeiliches Büro zur Überwachung und Bekämpfung der politischen Opposition eingerichtet. Der Verfassungsgerichtshof wurde ausgeschalten und die richterliche Unabhängigkeit, sowie die Autonomie der Gerichte beseitigt. Insgesamt wurden bis zu 14.000 Oppositionelle im Anhaltelager Wöllersdorf inhaftiert.
Austrofaschistische Ideologie
Im Zentrum der Selbstdarstellung des Regimes stand die „Österreich-Ideologie“, nach der Österreich zur „Treuhänderin der universalen, völkerbefriedenden, abendländischen Aufgabe des Deutschtums werden“1 müsse. Ebenso bezeichnete die Regierung Österreich als „christlichen Staat“ und bezog sich in der Rechtfertigung ihrer berufsständischen Vorstellungen auf die Enzyklika „Quadragesimo Anno“ (1931) von Papst Pius XI., wenngleich sie in der Formulierung ihrer Pläne merklich davon abwich. Mit Selbstzuschreibung, wie der Charakterisierung des austrofaschistischen Österreichs als „sozialen Staat“ oder den Bezug auf „glorreiche Zeiten“ in der österreichischen Vergangenheit versuchte man, die eigene Regierungspolitik zu rechtfertigen. Obwohl ständische Elemente – namentlich Berufsstände und Kulturgemeinschaften – in der Verfassung vorgesehen waren, so war es bis zum „Anschluss“ nur möglich, zwei der sieben geplanten Berufsstände zu etablieren. Die Bezeichnung „Ständestaat“ ist somit zwar eine Selbstzuschreibung des Regimes, entspricht aber nicht den Realitäten.
Besonderes Augenmerk legte die austrofaschistische Propaganda auf die ideologische Indoktrination von Kindern und Jugendlichen. So kam es etwa im Bildungsbereich zu einer Aufhebung der Trennung zwischen Schule und Religion sowie zu einer verstärkten Trennung von Hauptschule und Gymnasium und den Geschlechtern. Das Lehrpersonal und die Lehrpläne wurden nach den Vorstellungen des Ständestaates ausgetauscht und vormilitärische Erziehung forciert. Es wurden Kommandos geübt, sowie Übungsmärsche und Schießübungen durchgeführt. In Anlehnung an den deutschen und den italienischen Faschismus wurde auch eine eigene Jugendorganisation der VF ins Leben gerufen: das „Österreichische Jungvolk“. Für Studierende auf Hochschulebene waren Ideologieunterricht, vormilitärische Übungen, sowie die Teilnahme an Hochschullagern verpflichtend.
Die Versuche, auch Kultur verstärkt für die eigenen Zwecke zu instrumentalisieren führten zu Massenveranstaltungen, wie Weihe- und Gedenktage, Appelle, Paraden und Dollfußgedenkfeiern. Kirchliche und politische Veranstaltungen wurden miteinander verbunden. So bot etwa der Katholikentag 1933 dem Dollfuß-Regime eine Bühne zur Selbstinszenierung. In dem als Freizeitorganisation der VF gegründeten Frontwerk „Neues Leben“ sollte nach deutschem und italienischen Vorbild das gesamte kulturelle Leben monopolisiert werden.
Wirtschafts- und Sozialpolitik im Austrofaschismus
Die Pläne zum Umbau Österreichs in einen berufsständisch organisierten Staat stehen in einem engen Verhältnis zu einer konsequente Antiklassenkampfideologie. Ziel war es, strukturelle Interessenskonflikte zwischen ArbeiterInnenschaft und Unternehmen und die daraus resultierenden Gefahren für die kapitalistische Wirtschaftsordnung und die Regierung auszuschalten. Konkrete Maßnahmen beinhalteten ein Verbot von Streiks und Aussperrungen sowie die Auflösung der freien Gewerkschaften und der Betriebsräte.
Die Wirtschaftspolitik des Austrofaschismus war geprägt von einer Hartwährungspolitik, sowie dem Ziel eines ausgeglichenen Budgets. Die restriktive Haushaltpolitik führte zu massiven Kürzungen im Sozialbereich, dennoch kam es zu steigenden Rüstungsausgaben. Ebenso verhinderte sie nachhaltige Maßnahmen zur Senkung der drastischen Arbeitslosigkeit. Entgegen vorangegangener Behauptungen kam es zu einer Erhöhung von Steuern und Gebühren, zu einer Senkung von Vermögenssteuern und einer Erhöhung an indirekten Steuern. Zu den Nutznießern der Wirtschafts- und Steuerpolitik gehörten vor allem Banken, Industrie, Gewerbe und landwirtschaftliche Großbetriebe, während Lohnabhängige durch die Abschaffung von Kollektivverträgen, Leistungskürzungen im Sozialbereich und die Aushöhlung des Achtstundentages mit massiven Nachteilen konfrontiert waren. Des Weiteren wurde der Kündigungsschutz oftmals nicht eingehalten, Löhne gekürzt und ArbeiterInnen zu unbezahlter Mehrarbeit gezwungen.
Frauen waren besonders stark von der faschistischen Umgestaltung des Staates betroffen. Sie waren aus der Politik auf Bundesebene fast vollständig ausgeschlossen – 211 Mandataren standen nur zwei Mandatarinnen gegenüber – und auch auf den unteren Ebenen massiv unterrepräsentiert. Durch einfache Gesetze konnte der in der Verfassung garantierte Gleichheitsgrundsatz unterlaufen werden. So kam es etwa zu Gesetzen, die es verheirateten Frauen unmöglich machten, einer Erwerbsarbeit im öffentlichen Dienst nachzugehen.
Erstarken des Nationalsozialismus und Niedergang
Der sogenannte Zweifrontenkrieg, den das austrofaschistische Regime gegen die sozialistische und nationalsozialistische Opposition geführt haben will, weist eine starke Schieflage zugunsten der illegalen Nationalsozialisten auf, wie die wiederholte Gesprächsbereitschaft der Regierung mit diesen zeigt. Ab 1936 befand sich die Regierung Schuschnigg mehr und mehr in der Defensive. Der zunehmende Druck Nazideutschlands führte zu mehreren Abkommen zwischen Österreich und dem Deutschen Reich, die zu zahlreichen Zugeständnissen, wie etwa einer Amnestierung inhaftierter Nationalsozialisten führte und in letzter Konsequenz auf eine Infragestellung der österreichischen Souveränität hinausliefen. Nach und nach wurden Nationalsozialisten in die Regierung befördert und Kurt Schuschnigg schließlich unter Androhung eines militärischen Eingreifens zum Rücktritt zugunsten des nationalsozialistischen Innenministers Arthur Seyß-Inquart gezwungen. Am Tag darauf, dem 12. März 1938, marschierten deutsche Truppen über die österreichische Grenze ohne auf Widerstand zu stoßen. Durch die Ausschaltung der parlamentarischen Demokratie, der Sozialdemokratischen Partei und des Republikanischen Schutzbundes hatte das austrofaschistische Regime die einzigen gesellschaftlich relevanten Strukturen und möglichen Bündnispartner beseitigt, die dem „Anschluss“ an Nazideutschland ernsthaften Widerstand hätte leisten können.
Tondokument „Die Trabrennplatzrede“ – Engelbert Dollfuß mit Prinzipienerklärung des autoritären Regimes am 11. September 1933: https://www.mediathek.at//atom/015C5D1D-222-002CE-00000D00-015B7F64
[1] Publikation des Österreichischen Heimatdienstes, zit. In Staudinger 1977, 213.
Literatur:
Emmerich Tálos, Das austrofaschistische Herrschaftssystem. Österreich 1933-1938 (Wien 2013)