Im Zusammenhang mit Nationalsozialismus und insbesondere im Zusammenhang mit antifaschistischem Widerstand fällt oftmals der Begriff: „Gruppe 40“. Der Historiker Willi Weinert holt mit seinem Buch „Mich könnt ihr löschen, aber nicht das Feuer“ die Gruppe 40 ins kollektive Bewusstsein unserer Republik. In erster Linie werden durch die Biografien in diesem Buch die dort einst verscharrten Menschen und ihr Kampf gegen den Nazifaschismus erfahrbar gemacht. Mit den beigefügten Porträtfotos gibt er diesen Menschen auch wieder ein Gesicht.
Bei der Gruppe 40 handelt es sich um eine Schachtgräberanlage am Wiener Zentralfriedhof. Viele Menschen wissen, dass sich in dem westlichen Teil Gräber vieler Prominenter aus dem Bereich der Kultur, wie den Jazz-Klarinettisten Fatty Georg, Falco, der Burgschauspieler Walter Reyer oder der zu früh verstorbene Autor der TV-Kultserie „Kottan ermittelt“, Helmut Zenker, aber auch aus dem Bereich des Sports, wie das des ehemaligen Fußballnationalspielers Karl Ocwirk oder der Radrennfahrer Ferry Dusika befinden. Nur wenige Menschen wissen jedoch, dass im östlichen Teil der Gruppe 40 in den Schachtgräbern zwischen 1942 und 1945 die im Wiener Landesgericht I (damals hieß es Landgericht) mit dem Schafott hingerichteten Menschen verscharrt wurden.
Die Guillotine – Instrument zur massenhaften Tötung von Menschen
Nach der Annexion Österreichs durch Nazideutschland im März 1938 wurde ab Dezember 1938 mit der Exekution von zum Tode verurteilten Menschen begonnen.
Vom 1. Dezember 1938 bis 4. April 1945 wurden ca. 1200 Menschen im Hinrichtungsraum des Landgerichts Wien geköpft, einige wenige von ihnen auch gehenkt.Die Hälfte von ihnen wurde guillotiniert, weil sie in der einen oder anderen Art Widerstand gegen das Naziregime geleistet hatten. Wenn auch der überwiegende Anteil der hingerichteten Widerstandskämpfer/innen den kommunistischen Widerstandes betrifft, wurden auch zahlreiche Mitglieder des konservativen Widerstandes, wie Helene Kafka (Schwester Restituta) und Sozialisten (Eduard Göth) Opfer der NS-Unrechtsjustiz.
In den meisten Fällen wurden die Leichen, die der Todesmaschinerie zum Opfer fielen, dem Anatomischen Institut der Universität Wien zur weiteren Verwendung übergeben. Nach deren Verwertung wurden die Leichen(teile) dann an den Wiener Zentralfriedhof abgegeben, wo man sie unter Geheimhaltung und anonym in der Gruppe 40 verscharrte, da generell die Leichen der politischen Opfer nicht für die private Bestattung freigegeben wurden.
Da die Exekutionen 1943/44 stark anstiegen, reichten die Lagerkapazitäten des Anatomischen Institutes nicht mehr aus, und Leichen wurden auch direkt nach der Hinrichtung an den Zentralfriedhof abgegeben.
Erst nach 1945 erfuhren die Angehörigen, was mit ihren Lieben passiert war und dass sie dort verscharrt wurden. Viele begannen für sie in der Gruppe 40 Erinnerungszeichen zu errichten. Opfer aus den Bundesländern (Niederösterreich, Kärnten und Vorarlberg) wurden exhumiert und in ihre Heimat transferiert.
Die WiderstandskämpferInnen ins öffentliche Bewusstsein rücken
Dem Autor ist es ein großes Anliegen, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die Hunderten hingerichteter WiderstandskämpferInnen zu richten. Er weiß, dass das Schicksal von Menschen wie etwa des Schneiders Robert Kurz, der wegen seiner Tätigkeit im kommunistischen Widerstand verhaftet und zum Tode verurteilt wurde, der Allgemeinheit unbekannt ist. Deshalb nimmt er ergreifende Passagen wie diese aus dem Abschiedsbrief des Robert Kurz in sein Werk auf: „Mit einer 1 Meter langen Stahlkette am linken Fuß und an der rechten Hand mit einer langen Stahlkette gefesselt, schreibe ich diesen meinen letzten Brief, denn ich weiß, es geht mit mir zu Ende. Nur weil ich für den Sozialismus bin und für die Armen, für ein schöneres Leben, für Recht und Freiheit stets mein kleines Opfer gebracht habe, werde ich bald nicht mehr sein. Ich will und werde aufrecht sterben, so wie ich gelebt habe.“
Er tut dies, weil er weiß, dass heute, 70 Jahre später, kaum noch etwas an den Mut und die Opferbereitschaft jener erinnert, die alles – selbst ihr Leben- im Kampf gegen den Faschismus gegeben haben. Diese Opferbereitschaft hat es verdient, geehrt zu werden, deshalb ist es wichtig, zu wissen, wo diese selbstlosen Menschen ihre letzte Ruhestätte gefunden haben: In der Gruppe 40 am Wiener Zentralfriedhof.
Um die Öffentlichkeit aufmerksam zu machen, wurde in einem feierlichen Gedenkakt der österreichischen Bundesregierung, der Opferverbände und der Vertreter der Religionsgemeinschaften am 11. März 2013, am 75. Jahrestag des Einmarsches deutscher Truppen in Österreich, die Gruppe 40 zu einer „Nationalen Gedenkstätte zur Erinnerung an die Opfer der Nationalsozialistischen Justiz“ erklärt.
Willi Weinert,»Mich könnt ihr löschen, aber nicht das Feuer«. Ein Führer durch den Ehrenhain der Gruppe 40 am Wiener Zentralfriedhof für die WiderstandskämpferInnen und Opfer des Faschismus sowie für die auf anderen Friedhöfen in Wien und Umgebung. 352 Seiten; über 650 Fotos u. Abb. (z.T. farbig); ISBN: 978-3-9502478-2-4; Wiener Stern-Verlag; 3. Auflage, Wien 2011