Austrofaschismus und Nationalsozialismus

Bereits 1933 kam es unter Kanzler Engelbert Dollfuss zur Ausschaltung des Parlaments durch das Kriegswirtschaftliche Ermächtigungsgesetz. Die Bürgerkriegs-Ereignisse 1934 nahmen die Christlichsozialen zum Anlass, die Sozialdemokratie auszuschalten und einen faschistischen Ständestaat zu installieren.

Dunkle Jahre für Österreich

1934 Bürgerkrieg in Österreich (Foto: VGA)Trotz der vielfachen Bemühungen der Sozialdemokratie, einen Bürgerkrieg zu verhindern, ging Dollfuß auf die Forderungen von Heimwehr und italienischen Faschisten ein, hart gegen Linke und die Arbeiterbewegung vorzugehen. Der Bürgerkrieg 1934 war der Anfang vom Ende der Ersten Republik.

Polizeibeamte dringen am 12. Februar 1934 in das Linzer Parteiheim im Hotel "Schiff" ein. Die Schutzbündler setzen sich zur Wehr, daraufhin bricht auch in Wien und anderen Industriestädten der Aufstand los. In Wien wird der Karl-Marx-Hof vom Bundesheer beschossen. Die Kämpfe dauern teilweise bis 16. Februar an. In Folge wird die Sozialdemokratie verboten, ihre Führung größtenteils verhaftet. Nach der Hinrichtung von neun Sozialdemokraten (u.a. Koloman Wallisch und Richard Münichreiter) kommt es zur definitiven Ausschaltung der Sozialdemokratie, die nunmehr in der Illegalität gegen ein diktatorisches System vorgehen musste. Damit begann die Arbeit der Sozialisten im Untergrund (RS).

Sozialdemokratie in der Illegalität

Das verhüllte Republikdenkmal im Austrofaschismus (ÖGB-Archiv)

Die Struktur der Sozialdemokratischen Partei war mithin zerschlagen worden, wodurch sich nun mehrere Organisationszentren ergaben. So wurde die „Arbeiter-Zeitung“ unter der Führung Otto Bauers im tschechischen Exil produziert. In Österreich selbst formierte sich die Gruppe „Revolutionäre Sozialisten“ (RS), die eine Reihe von illegalen Aktionen durchführte (u.a. Aufziehen roter Fahnen oder „Blitzkundgebungen“). Dabei kam es zwischen den Revolutionären Sozialisten und dem Auslandsbüro Bauers immer wieder zu Spannungen. In Wien wurden die illegalen Parteistrukturen schon bald von der Polizei zerschlagen. Die Opfer des Austrofaschismus erfuhren erst späte Gerechtigkeit und Rehabilitierung.

Der gescheiterte Nazi-Putsch

1934 wurde Dollfuß während des gescheiterten nationalsozialistischen Putsches ermordet, wodurch er zur „Märtyrergestalt“ verklärt wurde, was bis heute nachwirkt. Seine Nachfolge trat Kurt Schuschnigg an. Im April 1935 begann dann der Hochverratsprozess gegen die Führer des Republikanischen Schutzbundes. Die Schutzbundführer wurden zuerst zu drakonischen Strafen verurteilt, dann jedoch im Dezember im Zuge der Weihnachtsamnestie freigelassen. Dabei hatte der junge Sozialdemokrat Bruno Kreisky einen ersten großen Auftritt. Er wurde im Zuge des Prozesses schließlich zu einem Jahr Kerker verurteilt.

Der "Anschluss"

Das austrofaschistische Regime geriet unter immer stärkeren Druck der deutschen Nationalsozialisten. Am 12. Februar 1938 wurde Kurt Schuschnigg auf den Obersalzberg zitiert. Hitler diktierte ihm die Aufhebung des Verbots der NSDAP und verlangte ihre Regierungsbeteiligung, mit der Arthur Seiß-Inquart zum Innen- und Sicherheitsminister wurde. Nach dem „Berchtesgadener Abkommen“ kam die Polizeigewalt in nationalsozialistische Hände, wodurch eine wichtige Voraussetzung zur Machtübernahme geschaffen war. Schuschnigg widersetzte sich kurzfristig dieser deutschen Vormachtstellung, indem er für den 9. März eine Volksabstimmung „Für ein freies und deutsches, unabhängiges und soziales, für ein christliches und einiges Österreich“ ansetzte. Unter dem Druck der Nationalsozialisten, die als Vorwand Mängel in der Wahlvorbereitung geltend machten, wurde diese Abstimmung zurückgenommen. Im Laufe des 11. März trat Kurt Schuschnigg nach einem Ultimatum Hitlers zurück. Es kam zur bereits lange geplanten Machtergreifung durch die österreichischen Nationalsozialisten und zur Ernennung Arthur Seiß-Inquarts zum Bundeskanzler. Am 12. März zog Hitler in Österreich ein, am 15. März verkündete er auf dem Heldenplatz in Wien unter dem Jubel zehntausender Menschen „den Eintritt meiner Heimat in das Deutsche Reich”.

Verfolgung, KZ, Mord

Im Widerstand: Zeichen O5 an der Fassade des StephansdomsSchon in den ersten Tagen der Nazi-Herrschaft wurden zwischen 50.000 und 70.000 Menschen aus politischen oder „rassischen“ Gründen festgenommen. Die Zentralevidenz der Polizeidirektion („Schoberkartei“) bildete die Grundlage für die politische Verfolgung. Die nationalsozialistische Herrschaft setzte den Revolutionären Sozialisten als illegaler organisierter Partei ein Ende. Spätestens bei Kriegsausbruch rissen auch alle Auslandsverbindungen ab.

In der Folge fanden zahlreiche Sozialistinnen und Sozialisten in den Gefängnissen und Lagern NS-Deutschlands den Tod. Zu ihnen zählen unter anderen die Nationalratsabgeordneten Robert Danneberg und Viktor Stein, die Schutzbundführer Alexander Eifler und Richard Bernaschek, die Jugendfunktionäre Otto Felix Kanitz und Roman Felleis sowie die versierte Sozialwissenschaftlerin Käthe Leichter, die das Referat für Frauenarbeit der Wiener Arbeiterkammer geleitet hatte. Andere kamen auf der Flucht vor den nationalsozialistischen Truppen ums Leben.

Vor allem jüdische Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wurden rassisch und politisch verfolgt und gehörten zu den Millionen Opfern, die von den Nazis in KZs, Vernichtungslagern, hinter der Front oder als Zwangsarbeiter ermordet wurden.

 


Tondokument:
Joseph Buttinger - Exilregierung in Frankreich? (Österreichische Mediathek)
Julius Deutsch - Exilregierung in Frankreich? (Österreichische Mediathek)


 

Vertreibung und Exil

Kreisky im Exil, um 1941In der sozialdemokratischen Emigration hatten sich indes mehrere organisatorische Zentren herausgebildet, deren Netzwerke auch nach 1945 existent waren. Im Februar 1942 wurde in New York das „Austrian Labour Comittee“ (A.L.C.) gegründet. In London konstituierte sich das „Londoner Büro der österreichischen Sozialisten in Großbritannien“, dem unter anderen Oskar Pollak, Karl Czernetz, Walter Wodak, Wilhelm Rosenzweig, Karl Ausch und Marie Jahoda angehörten. Eine weitere sozialistische Gruppe im Exil bildete jene in Stockholm, zu der Bruno Kreisky zählte.

Mit der militärischen Niederlage Nazi-Deutschlands und der Befreiung von der Nazi-Herrschaft durch die Allierten im Mai 1945 endete das mörderische "1000-jährige Reich". Das, was Österreich war, lag moralisch und existenziell in Trümmern.

 

Adolf SchärfNicht die in der Emigration wirkenden Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sollten aber die Geschicke der Partei nach 1945 bestimmen. Viele von ihnen kamen gar nicht mehr zurück oder warteten – wie etwa Hugo Breitner – vergeblich darauf, wieder nach Österreich eingeladen zu werden. Stattdessen nahmen nach 1945 jene das Heft in die Hand, die in der Zeit nach dem Verbot der Partei im Land geblieben waren. Zu ihnen zählten Karl Renner, Adolf Schärf (im Bild) und Oskar Helmer. (Von Alessandro Barberi)




Aus der gleichen Epoche:

Politisch verfolgte ParlamentarierInnen

Zahlreiche ehemalige, aktive oder zukünftige ParlamentarierInnen aus den Reihen der Sozialdemokratie wurden Opfer von Verfolgung ...

Käthe Leichter

Pionierin der Frauenforschung, Kämpferin für Arbeiterinnen-Rechte

12. Februar 1934 - Bürgerkrieg in Österreich

Am 12. Februar 1934 traten sozialdemokratische österreichische Arbeiter - als erste in Europa – dem Faschismus mit der Waffe ...

Sozialdemokratie und Arbeiterschaft im Nationalsozialismus

Unmittelbar nach dem "Anschluss" 1938 war es den nationalsozialistischen Machthabern ein besonderes Anliegen, die österreichischen ...

Vom Wert der Geschichte - Von der Rehabilitierung der Opfer des Austrofaschismus

Die Rehabilitierung der Opfer des Austrofaschismus war kein leiches Unterfangen. Über Hintergründe und die Wichtigkeit ...

Der Republikanische Schutzbund

Der Republikanische Schutzbund war der Wehrverband der Sozialdemokratie in der Zwischenkriegszeit. Seine Aufgabe bestand in der ...

Austrofaschismus

Nach der Ausschaltung des Parlaments 1933 durch die christlich-soziale Regierung wurde Österreich bis zum „Anschluss“ ...

Und es fiel kein Schuss ... Der deutsche Einmarsch in Österreich 1938

Vor 70 Jahren verschwand Österreich von der Landkarte. Die Ausschaltung der Linken durch die Austrofaschisten machte das Land ...

Die Revolutionären Sozialisten Österreichs

Die österreichische Sozialdemokratie in der Illegalität 1934-1938

Rosa Jochmann

SPÖ-Frauenvorsitzende von 1959 bis 1967

Adolf Schärf

Parteivorsitzender und Vizekanzler (1945-1957), Bundespräsident (1957-1965)

Geschichte der Sozialistischen Jugend (SJÖ)

Vom Verein jugendlicher Arbeiter zur Sozialistischen Jugend Österreich

Foto-Galerien www.rotbewegt.at

In dieser Übersicht finden Sie Sammlungen historischer Plakate der Sozialdemokratie und ihr nahestehender Organisationen. Das ...

Geschichte des BSA

BSA-Präsident Andreas Mailath-Pokorny beschreibt die Rolle des BSA in der Sozialdemokratie folgendermaßen: „Die ...

Austromarxismus

Der Austromarxismus ist eine von österreichischen Sozialdemokraten geprägte Richtung innerhalb des marxistischen Denkens, zu ...

Die Gruppe 40 am Wiener Zentralfriedhof

Im Zusammenhang mit Nationalsozialismus und insbesondere im Zusammenhang mit antifaschistischem Widerstand fällt oftmals der ...

Der „Anschluss“

Am 12. März 1938 überquerten nationalsozialistische Truppen die Grenze zu Österreich. Einen Tag später wurde der ...

Maria Emhart

Maria Emhart (27. Mai 1901 - 9. Oktober 1981) war eine der AnführerInnen des Kampfes der nach dem Verbot der Sozialdemokratischen ...

Karl Seitz

Vorsitzender der SPÖ 1918-1945, Wiener Bürgermeister, Nationalratspräsident

Karl Renner

Staatskanzler nach dem Ersten Weltkrieg, Nationalratspräsident (1931 - 1933)  und Bundespräsident (1945 - 1950)