Der Republikanische Schutzbund

Der Republikanische Schutzbund war der Wehrverband der Sozialdemokratie in der Zwischenkriegszeit. Seine Aufgabe bestand in der Verteidigung der parlamentarischen Republik und der ArbeiterInnenschaft vor monarchistischen, konservativen und faschistischen Kräften

Die Anfänge des Republikanischen Schutzbundes gehen auf die, ab dem Ende des Ersten Weltkrieges und der Ausrufung der Republik, 1918 gegründeten, sozialdemokratischen Arbeiterwehren und Ordnergruppen zurück. Deren Aufgabe bestand einerseits aus der Verteidigung der Republik gegen eine Restauration der Habsburgermonarchie und dem Schutz von Industrieregionen und Fabriken vor Übergriffen und Plünderungen, andererseits aus Ordnerdiensten auf Veranstaltungen der Sozialdemokratischen Partei. Besonders nach dem Ausscheiden der SozialdemokratInnen aus der Bundesregierung 1920 und dem damit verbundenen Verlust von Einfluss auf das Bundesheer, wurde der Aufbau der Ordnerdienste forciert. Bereits 1922 kam es zu ersten Todesopfern gewaltsamer Übergriffe von rechtsgerichteten Wehrverbänden auf Einrichtungen der ArbeiterInnenbewegung. Dennoch verweigerte die Parteiführung die Herausgabe der Waffen und versuchte erfolglos die konservativen Kräfte zu einer beiderseitigen Abrüstung zu bewegen.

Aufmarsch des Republikanischen Schutzbundes (Foto: Wikimedia Commons/Bundesarchiv)

Im Jahr 1923 wurden schließlich die sozialdemokratischen Wehrverbände unter der Führung von Julius Deutsch zum Republikanischen Schutzbund vereint. Um die demokratische Kontrolle über die Organisation zu gewährleisten, mussten alle Funktionäre Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei sein und die Führungsgremien mindestens alle zwei Jahre neu gewählt werden. Ebenso bestand eine enge Bindung an die ArbeiterInnenräte. Finanzielle und organisatorische Unterstützung erhielt der Schutzbund neben der Partei auch von den Freien Gewerkschaften, die etwa die Möglichkeit eines Generalstreiks als politisches Druckmittel zusicherten.

Die christlichsozialen, faschistischen Heimwehren setzten sich, neben einer Führungsriege, die fast ausschließlich aus kaisertreuen Ex-Offizieren und Unteroffizieren der k.u.k.-Armee bestand, vor allem aus Männern aus dem bäuerlichen Umfeld, Kleinbürgern, sowie bezahlten Söldnern (Fünf-Schilling-Mandeln) zusammen. Der Heimwehrführer Ernst Rüdiger Starhemberg charakterisierte die Heimwehr in seinen Memoiren als „(…) Prätorianergarde, die bereit war, wem immer zu folgen, wenn man ihr nur möglichst viel dafür zahlte“. Auf sozialdemokratischer Seite waren es in der Anfangszeit vor allem Industriearbeiter und Arbeitslose, die bereits im Ersten Weltkrieg gedient hatten und die keinerlei Bezahlung für ihre Dienste bekamen. Die Söldnertruppen der Heimwehr finanzierten sich vor allem durch Unterstützungszahlungen von Unternehmerverbänden, Bankiers, Großgrundbesitzern, sowie dem faschistischen Ausland, insbesondere aus Italien, dessen faschistisches Regime auch im großen Stil Waffen an den Wehrverband lieferte. Nach der Ausschaltung des Parlamentarismus 1933 durch die Regierung Dollfuß, wurden die Heimwehren zusätzlich von staatlicher Seite mit Waffenlieferungen versorgt.

Die Auflösung des Republikanischen Schutzbundes am 31. März 1933 durch die Regierung Dollfuß kam für dessen Führung keineswegs überraschend, weswegen bereits Gegenmaßnahmen ergriffen wurden. Diese umfassten sowohl die Vernichtung von Mitgliederlisten und anderem „belastenden“ Material, sowie die Übertragung des Vermögens an die Sozialdemokratische Partei. Ab diesem Zeitpunkt erfolgte eine Umorganisation, zurück zu Ordnerschaften. Bis zum 12. Februar 1934 griff der Schutzbund, trotz jahrelanger, zunehmender Aggressionen und Übergriffe durch Heimwehr, Polizei und Bundesheer kein einziges Mal zu den Waffen, wofür die Parteiführung und insbesondere Otto Bauer zum Teil heftig kritisiert wurden. Seit Anfang Februar 1934 wurden unter der Leitung von Heimwehrführer und Bundesminister für Sicherheit Emil Fey die sozialdemokratischen Parteiheime systematisch nach Waffen durchsucht und Schutzbundführer verhaftet. Am 11. Februar verkündete Fey bei einer Veranstaltung der Heimwehr: „Wir werden morgen an die Arbeit gehen und wir werden ganze Arbeit leisten“. Am Tag darauf löste die Durchsuchung des sozialdemokratischen Linzer Parteiheims Hotel Schiff die Februarkämpfe aus. Nach dem Ende der Kampfhandlungen wurde die Sozialdemokratie und alle ihre Organisationen verboten, neun Schutzbündler standrechtlich verurteilt und hingerichtet, unzählige Mitglieder des Schutzbundes und der Sozialdemokratische Partei verhaftet und die Heimwehr in den staatlichen Sicherheitsapparat eingegliedert. Somit waren die letzten Hürden auf dem Weg in die faschistische Diktatur beseitigt.


Tondokument:
Julius Deutsch - Vom Österreichischen Bürgerkrieg 1934 zum Spanischen Bürgerkrieg (Österreichische Mediathek)


 

Weiterführende Literatur:

Josef Hindels, Der Weg zum 12. Februar 1934 (Wien 1984)

Karl Schörg, Die Wehrverbände Österreichs in der Ersten Republik (Wien 1989)

Otto Bauer, Der Aufstand der österreichischen Arbeiter: seine Ursachen und seine Wirkungen (Wien 1974)




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