"Was wir ersehnen von der Zukunft Fernen" – der Hainfelder Parteitag

Der Parteitag, der vom 30. Dezember 1888 bis zum 1. Januar 1889 im niederösterreichischen Hainfeld stattfand, ist von historischer Bedeutung. Auf Grund der dortigen Einigung auf ein Programm und die Prinzipienerklärung wird der Hainfelder Parteitag als eigentliche Geburtsstunde der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs gesehen.

Der historische Prolog des Hainfelder Parteitags und Programms - die Gründung von Arbeitervereinen, die journalistische Arbeit und Aufklärung über die Umstände von Arbeiterinnen und auch die Entwicklung der deutschen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei – führte zu harten Flügelkämpfen zwischen „revolutionären“ und „reformistischen“ Gruppen innerhalb der entstehenden Organisationen. Eine besondere Rolle wird Victor Adler, einem jüdischen Arzt und Journalisten, gegeben, der als Brückenbauer zwischen den Fraktionen fungierte.


Nicht zuletzt durch seine Tätigkeiten als Armenarzt und Journalist kam Adler eine wichtige Rolle innerhalb der Sozialdemokratie zu. Mit dem Geld seines Erbes hatte er 1886 die Zeitung „Gleichheit. Sozialdemokratisches Wochenblatt“ gegründet. Mit Enthüllungsreportagen, wie jene über das Elend der Wienerberger Ziegelarbeiter, hatte Adler breite öffentliche Aufmerksamkeit und Respekt erhalten. Seine Rolle als Brückebauer war nicht nur zwischen den politischen Flügeln der Bewegung, sondern, dank seiner Mehrsprachigkeit. auch den nationalen Gruppen aus den Ländern der k. und k. Monarchie.


Prinzipien-Erklärung

Zum Hainfelder Parteitag vom 30. Dezember 1888 bis zum 1. Januar 1889 waren 110 Delegierte aus Wien und allen Kronländern – mit Ausnahme  Dalmatiens – geladen worden; die 73 erschienenen, stimmberechtigten Delegierten beschlossen hier die Gründung einer neuen sozialdemokratischen Partei und verabschiedeten die von Victor Adler verfasste und von Karl Kautsky gebilligte "Prinzipien-Erklärung". Diese Erklärung machte die politische Weltanschauung und Zielsetzung der Partei deutlich:

„Die sozialdemokratische Arbeiterpartei in Österreich erstrebt für das gesamte Volk ohne Unterschied der Nation, der Rasse und des Geschlechtes die Befreiung aus den Fesseln der ökonomischen Abhängigkeit, die Beseitigung der politischen Rechtlosigkeit und die Erhebung aus der geistigen Verkümmerung.“

Andere Schlüsselpunkte der Prinzipien-Erklärung sind der internationale Charakter der Partei, die Rolle von Demokratie und Parlamentarismus, ebenso wie Reformforderungen, wie Arbeiterschutzgesetze und Bildungsprogramme. Auch zu Fragen des Militärs und des Steuersystems wurden Positionen gefunden.

Bis zur Entwicklung des „Linzer-Programms“ 1926, wesentlich von Otto Bauer und den Ereignissen der Oktoberrevolution beeinflusst, war die Hainfelder Prinzipien-Erklärung Grundlage für die Arbeit der Sozialdemokratie in Österreich.




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