Adolf Schärf

Parteivorsitzender und Vizekanzler (1945-1957), Bundespräsident (1957-1965)

Adolf SchärfAdolf Schärf wurde am 20.April 1890 in Südmähren als Sohn einer Handwerkerfamilie geboren. Nach der Übersiedlung nach Wien trat er einer Ortsgruppe der Jugendlichen Arbeiter bei, war an der Gründung einer Sozialistischen Mittelschülervereinigung beteiligt und kam so in Kontakt mit einigen führenden Intellektuellen der Sozialdemokratie, wie Karl Renner, Otto Bauer, Victor Adler, Otto Glöckel oder Karl Seitz. Sein Studium beendete er 1914 mit der Promotion zum Dr. iur. und leistete von 1915 bis 1918 Kriegsdienst, vor allem an der Italien-Front, wo er 1916 verwundet wurde.

In der Ersten Republik war Schärf unter anderem als Sekretär der sozialdemokratischen Fraktion im Parlament und im niederösterreichischen Landtag tätig. Außerdem war er an der Ausweitung der Sozialdemokratie über den Bereich der ArbeiterInnen und Angestellten hinaus, hin zu einer Volkspartei beteiligt. Sein erstes politisches Mandat erhielt er, als er nach der Ausschaltung des Nationalrates in den Bundesrat entsandt wurde. Dort kritisierte er die antidemokratische Politik der Regierung Dollfuß.

Am 12. Februar 1934 wurde Schärf im Parlament verhaftet und im Anhaltelager Wöllersdorf interniert. Nach seiner Freilassung im Mai desselben Jahres vermied er es, mit den im Land verbliebenen, illegalen SozialdemokratInnen (Revolutionäre Sozialisten) zusammenzuarbeiten, um keine Aufmerksamkeit auf diese zu ziehen, hielt aber regelmäßigen Kontakt mit einigen ehemaligen MandatarInnen und FunktionärInnen. Während der Zeit des Nationalsozialismus war Schärf als Rechtsanwalt tätig, was ihm die Pflege politischer Kontakte erleichterte. So hielt er etwa ständigen Kontakt mit der überparteilichen Widerstandsgruppe O5.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und des Nationalsozialismus wurde Schärf stellvertretender Staatskanzler, sowie Staatssekretär ohne Geschäftsbereich in der provisorischen Regierung unter Karl Renner. Außerdem bekleidete er das Amt des provisorischen Parteivorsitzenden der neugegründeten SPÖ, da der schwerkranke Karl Seitz, der das Amt nominell noch immer inne hatte, noch nicht aus der KZ-Haft zurückgekehrt war. Von den ersten Nationalratswahlen im November 1945 bis zu seiner Wahl zum Bundespräsidenten 1957 bekleidete Schärf die Ämter des Vizekanzlers in den Regierungen Figl und Raab und des Parteivorsitzenden der SPÖ. In letzterer Funktion war er maßgeblich am Aufbau der Sozialdemokratie als Massenorganisation beteiligt, die in seiner Amtszeit fast 700.000 Parteimitglieder gewinnen konnte. Die Präsidentschaftswahl gewann er nur knapp gegen den überparteilichen Kandidaten von ÖVP und FPÖ, Wolfgang Denk, setzte sich aber bei seiner Wiederwahl 1963 klar gegen den Präsidentschaftsanwärter der ÖVP, Altkanzler Julius Raab, durch. Adolf Schärf verstarb am 28. Februar 1965 in Wien. Als Mitunterzeichner der österreichischen Unabhängigkeitserklärung, Delegationsmitglied bei den Staatsvertragsverhandlungen in Moskau und dank seiner Amtsführung als Bundespräsident gilt er als einer der Baumeister der Zweiten Republik.

 


Tondokument:
Die Feier zur Wiederwahl von Bundespräsident Schärf im Mai 1963 (Österreichische Mediathek)




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